
Nachholung des Visumverfahrens

Alle Informationen zur Visumpflicht und zur Nachholung des Visumverfahrens.
Hier erfahren Sie ...
was die Visumpflicht ist und wann sie erfüllt ist
welche Ausländer von der Visumpflicht befreit sind
wann die Nachholung des Visumverfahrens nicht notwendig ist
wann das Visumverfahren unzumutbar ist
1. Einreise mit richtigem Visum
Ein Visum ist nicht das gleiche wie eine Aufenthaltserlaubnis. Das Visum erlaubt die Einreise nach Deutschland, während die Aufenthaltserlaubnis den längeren Aufenthalt in Deutschland ermöglicht. Für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist grundsätzlich erforderlich, dass der Antragsteller mit dem erforderlichen Visum eingereist ist (§ 5 Abs. 2 AufenthG). Dies bedeutet, dass die Einreise mit dem gleichen Visum erfolgen muss, wie der anschließende Aufenthalt. Insbesondere ist es z.B. nicht möglich, mit einem Schengen-Visum einzureisen und dann eine Aufenthaltserlaubnis zur Erwerbstätigkeit bei der Ausländerbehörde zu beantragen. Der Gesetzgeber hat das Visum insofern als Steuerungsinstrument für die Migration vorgesehen. Ein Visum ist also selbst dann erforderlich, wenn sich der Antragsteller bereits in Deutschland aufhält. Dies gilt natürlich nur für die Ersterteilung einer neuen Aufenthaltserlaubnis und nicht bei der Verlängerung eines Aufenthaltstitels (§ 39 Nr. 1 AufenthV).
2. Welche Ausländer müssen kein Visumverfahren durchlaufen?
Die Visumpflicht gilt allerdings nicht in allen Fällen. Die Einreise mit dem richtigen Visum ist etwa grundsätzlich nicht erforderlich, wenn ein Aufenthaltstitel im Inland beantragt werden kann (§§ 39 ff. AufenthV). Praxisrelevant ist hier insbesondere das Innehaben einer Blauen Karte aus einem anderen europäischen Staat (§ 39 Nr. 7, 7a AufenthV) und die Verlängerung einer ICT-Karte (§ 39 Nr. 8 AufenthV).
Weiterhin müssen auch Angehörige von bestimmten Staaten das Visumverfahren nicht nachholen, um eine Aufenthaltserlaubnis im Inland zu beantragen (sog. Best-Friends-Staaten, § 41 AufenthV). Hierunter fallen in erster Linie die folgenden Nationalitäten: Australien, Israel, Japan, Kanada, Republik Korea, Neuseeland, Vereinigtes Königreich Großbritannien, Nordirland und Vereinigte Staaten von Amerika (USA). Unter bestimmten Voraussetzungen gilt dies weiterhin für die folgenden Nationalitäten: Andorra, Brasilien, El Salvador, Honduras, Monaco und San Marino.
Auch unabhängig von diesen Fallgruppen, gibt es weitere Situationen, in denen kein eigenes Visum für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erforderlich ist:
Beantragung einer Verlängerung anstatt einer Ersterteilung,
dauerhafte Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels (z.B. ehemalige Unionsbürger und Diplomaten),
Entstehen der Anspruchsvoraussetzungen nach der Einreise (z.B. Heirat eines Deutschen, Geburt eines deutschen Kindes, Arbeitsplatzangebot als Fachkraft),
Innehaben von Aufenthaltstiteln anderer Schengen-Staaten (insb. Blaue Karte)
In diesen Fällen können Sie also direkt in Deutschland die Aufenthaltserlaubnis beantragen, ohne noch einmal das Visumverfahren durchlaufen zu müssen.
CONTACT US
Suchen Sie einen Rechtsanwalt im deutschen Immigrations- und Ausländerrecht? Wir unterstützen Sie gern in Aufenthaltsverfahren vor den Botschaften, Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichten.
Kontaktieren Sie uns, um eine Beratung per Videocall mit einem deutschen Rechtsanwalt für Immigrationsrecht zu buchen!

VISAGUARD.Berlin Legal Services
3. Umgehung des Visumverfahrens
Wenn der Ausländer bereits in Deutschland ist, kann auch auf das Visumverfahren verzichtet werden, wenn die Nachholung des Visumverfahrens “unzumutbar” ist oder wenn ein sog. Anspruchsfall vorliegt. Die Ausländerbehörde kann dann im Ermessen von der Nachholung des Visumverfahrens absehen. Dies ist in folgenden Fallgruppen möglich:
es besteht ein gesetzlicher Anspruch auf Erteilung eines Visums (§ 5 Abs. 2 AufenthG),
die Nachholung des Visumverfahren ist für den Antragsteller unzumutbar (§ 5 Abs. 2 S. 2 AufenthG),
es wird ein humanitärer Aufenthaltstitel beantragt (§ 5 Abs. 3 AufenthG).
Wann die Nachholung des Visumverfahrens unmöglich oder unzumutbar ist, wurde durch die Rechtsprechung umfassend konkretisiert. Die wichtigsten Fallgruppen der unzumutbaren Nachholung des Visumverfahrens werden im Folgenden vorgestellt.
4. Unzumutbarkeit des Visumverfahrens
Eine Unzumutbarkeit der Nachholung des Visumverfahren liegt insbesondere in den folgenden Fällen vor:
Krankheit, Schwangerschaft, Behinderung des Antragstellers,
keine Reiseverbindungen vorhanden,
Vorliegen von Abschiebungsverboten,
Anwesenheit in Deutschland zwingend erforderlich (z.B. Kinderbetreuung),
keine Termine zur Visumantragstellung verfügbar.
Keine Unzumutbarkeit liegt wohl in den folgenden Fällen vor:
die Reise verursacht hohe Kosten,
es besteht ein Arbeitsplatzangebot,
es muss eine neue Wohnung angemietet werden,
Absolvierung der Wehrpflicht (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.03.2008 OVG 11 S 43.07),
vorübergehende Trennung vom Ehegatten (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 05.03.2007, OVG 2 S 19.07).
Sollte die Ausländerbehörde zur Nachholung des Visumverfahrens auffordern, sollte im Gegenzug eine Vorabzustimmung zur Visumerteilung bei der Ausländerbehörde beantragt werden, um das Visumverfahren zu beschleunigen (vgl. § 31 Abs. 3 AufenthV). Zwar wirken die Ausländerbehörden hierbei selten mit, allerdings sind sie nach der Rechtsprechung dazu verpflichtet, einer überlangen Dauer des Visumverfahrens entgegenzuwirken (OVG Bremen, 21.12.2011, 1 B 246/11).
5. Anspruchsfälle (Visumspflicht)
Die Ausländerbehörde kann auch von der Nachholung des Visumverfahrens absehen, wenn ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis besteht (§ 5 Abs. 2 S. 1 AufenthG). Ein Anspruchsfall liegt immer vor, wenn ein Aufenthaltstitel zur erteilen “ist”, die Ausländerbehörde also kein Ermessen hat. Dies ist z.B. bei allen Fachkräfteeinwanderungstiteln (insbesondere bei der Blauen Karte EU der Fall). Selbst in diesen Fällen müssen aber alle übrigen Voraussetzungen erfüllt sein, ohne dass die Ausländerbehörde ein Ermessen hat (sog. “strikter Rechtsanspruch”). Nach dem Bundesverwaltungsgericht liegt ein solcher strikter Rechtsanspruch nur vor, wenn alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind (BVerwG, Urteil vom 10.12.2014, 1 C 15.14). Selbst eine Soll-Vorschrift ändert hieran nichts (BVerwG, Urteil vom 17.12.2015, 1 C 31.14). Auch hindern bereits kleine Gesetzesverstöße das Entstehen eines Anspruchs, da die Ausländerbehörde in diesen Fällen ein Ausweisungsinteresse prüfen muss (BVerwG, Urteil vom 10.12.2014, 1 C 15.14).
Fazit zu dieser Seite
Wer nach Deutschland kommen und hier länger bleiben will, braucht in der Regel ein Visum für den richtigen Zweck – zum Beispiel für Arbeit oder Studium. Nur damit darf später im Inland eine Aufenthaltserlaubnis beantragt werden. Eine Einreise mit einem Touristenvisum reicht dafür nicht aus. Ausnahmen gibt es für bestimmte Staatsangehörige (z. B. USA, Kanada, Australien) und für Personen, die bereits einen bestimmten Aufenthaltstitel aus einem anderen EU-Land haben (z. B. Blaue Karte). Auch bei besonderen Umständen – etwa Krankheit, Schwangerschaft oder Abschiebungsverbot – kann auf das Visumverfahren verzichtet werden. Hat jemand bereits einen gesetzlichen Anspruch auf die Aufenthaltserlaubnis, kann die Ausländerbehörde von der Nachholung des Visumverfahrens absehen. Das gilt aber nur, wenn alle Voraussetzungen korrekt erfüllt sind – auch kleine Verstöße können diesen Anspruch ausschließen. Ein Absehen vom Visumverfahren ist auch möglich, wenn das Visumverfahren “unzumutbar ist”.