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Ermessen der Behörden

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Alle Informationen zum Ermessen der Ausländerbehörden und Botschaften.

Hier erfahren Sie ...

  • was Ermessen ist und wie es durch Behörden ausgeübt wird

  • bei welchen Aufenthaltstiteln die Behörden ein Ermessen haben

  • welche Grenzen die Behörden bei der Ermessensausübung haben

  • wie Sie sich gegen ein nachteilig ausgeübtes Ermessen wehren können

Inhaltsverzeichnis

1. Was ist Ermessen?

2. Bei welchen Aufenthaltstiteln wird Ermessen ausgeübt?

3. Wie wird das Ermessen ausgeübt?

4. Ermessensbeschränkungen

5. Fazit Ermessensausübung bei Visum und Aufenthaltserlaubnis

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1. Was ist Ermessen?

Die Ermessensausübung durch Migrationsbehörden ist ein zentrales Element des deutschen Aufenthaltsrechts. Besonders im Kontext der Erteilung von Visa spielt das Verwaltungsermessen eine entscheidende Rolle. Die Behörde hat dabei sowohl hinsichtlich der eigentlich Entscheidung ein Ermessen, als auch hinsichtlich der Frage, wie sie das Verfahren führt (sogenanntes Verfahrensermessen). Dieser Beitrag beleuchtet, welche rechtlichen Vorgaben für die Ermessensausübung gelten, wie Behörden diese dokumentieren müssen und welche Konsequenzen fehlerhafte Ermessensentscheidungen haben können.

Immer dann, wenn das Gesetz den Behörden einen Ermessensspielraum einräumt, besteht keine starre Rechtsfolge. Vielmehr ist die zuständige Behörde verpflichtet, auf Grundlage aller entscheidungsrelevanten Tatsachen eine eigenständige Abwägung vorzunehmen. Diese sogenannte pflichtgemäße Ermessensausübung (§ 40 VwVfG) bedeutet, dass die Entscheidung nicht willkürlich, sondern nachvollziehbar und dokumentiert getroffen werden muss. Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Dabei handelt es sich auch nicht um eine reine Formalie, da das Gesetz verlangt, dass die Begründung von Ermessensentscheidungen auch die tatsächlichen Gesichtspunkte erkennen lassen soll, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist (§ 39 Abs. 1 S. 3 VwVfG). Geschieht dies nicht, kann die Entscheidung der Behörde rechtswidrig sein.

2. Bei welchen Aufenthaltstiteln wird Ermessen ausgeübt?

Die Botschaften und Ausländerbehörden müssen nicht bei allen Aufenthaltstiteln ihr Ermessen ausüben. Viele Aufenthaltstitel sind rechtliche Ansprüche, die keinen Platz für eine Ermessensausübung lassen (z.B. Blaue Karte EU). In diesen Fällen muss die Ausländerbehörde den Aufenthaltstitel erteilen, wenn die Voraussetzungen vorliegen. Den Antrag unter Hinweis auf Ermessensgründe ablehnen dürfen die Behörden dann nicht.


Die Erteilung der folgenden Aufenthaltstitel liegen im Ermessen der Behörden:


In diesen Fällen muss die Botschaft oder die Ausländerbehörde nach Ermessen entscheiden, ob der Aufenthaltstitel erteilt wird oder nicht. Wichtig dabei ist der Unterschied zwischen “Kann-Vorschriften” und “Soll-Vorschriften” (sogenanntes intendiertes Ermessen). Immer wenn es sich um eine “Soll-Vorschrift” handelt, ist das Ermessen grundsätzlich zu Gunsten des Ausländers auszuüben. Die Behörde muss dann triftige Gründe nennen, warum der Aufenthaltstitel nicht erteilt werden kann. Im Fall der “Kann-Vorschriften” sind die Behörden bei der Ermessensausübung hingegen wesentlich freier.

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3. Wie wird das Ermessen ausgeübt?

Soweit Ermessen eröffnet ist, ist dieses pflichtgemäß auszuüben. Ermessen bedeutet Abwägung der unterschiedlichen oder widerstreitenden Gesichtspunkte und Interessen sowie abschließende Wertung, welchen Interessen der Vorrang eingeräumt wird. Auch soweit ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist, müssen die für und gegen das Vorliegen einer Tatbestandsvoraussetzung sprechenden Gesichtspunkte abgewogen werden. Die jeweils angestellten Erwägungen müssen stichpunktartig im

Verwaltungsvorgang und gegebenenfalls im ablehnenden Bescheid vermerkt werden.

Gegen die Erteilung eines Aufenthaltstitel aufgrund von Ermessenerwägungen sprechen regelmäßig die folgenden Punkte:


  • die Steuerung und Begrenzung von Migration

  • arbeitsmarktpolitische Erwägungen

  • Gefahr der Belastung der Sozialsysteme

  • Missbrauchsgefahr bei Erteilung des Visums


Für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aufgrund von Ermessenserwägungen sprechen regelmäßig die folgenden Punkte:


  • Bekämpfung des Fachkräftemangels (z.B. bei Auszubildenden)

  • Förderung der Wirtschaft in Deutschland (z.B. bei Selbstständigen)

  • Erhöhung der Steuereinnahmen des deutschen Staats

  • Schaffung von Arbeitsplätzen in Deutschland

  • Familie in Deutschland

  • Vermeidung von humanitären Härtefällen

  • sonstige Bindungen an Deutschland


Die Aufzählungen sind nicht abschließend. Letztendlich hängen die Ermessenserwägungen immer vom jeweiligen Einzelfall ab, weshalb hier keine vollständige Auflistung erfolgen kann.

4. Ermessensbeschränkungen

Das den Behörden eingeräumte Ermessen ist nicht grenzenlos und unterliegt grundsätzlich der gerichtlichen Kontrolle. Zwar dürfen die Gerichte das Ermessen selbst nicht kontrollieren, sie dürfen aber kontrollieren, ob die Behörden bei der Ausübung des Ermessens Fehler gemacht haben (z.B. sachfremde Erwägungen). Insofern müssen die Behörden ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einhalten (§ 40 VwVfG). In der Praxis ergeben sich bei der Ermessensausübung häufig Fehler der Behörden. Diese können dann dazu führen, dass die Entscheidung der Behörde rechtswidrig ist und aufgehoben werden muss.

Regelmäßig relevante Fälle der fehlerhaften Ermessensausübung sind die sogenannte Ermessensreduzierung auf Null und die Selbstbindung der Verwaltung. Bei der Ermessensreduzierung auf Null handelt es sich um Sachverhalte, bei denen sich der ansonsten bestehende Ermessensspielraum der Behörde faktisch auf eine einzige rechtmäßige Entscheidung reduziert. Das bedeutet: Obwohl das Gesetz der Behörde Ermessen einräumt, muss sie im konkreten Fall in einer ganz bestimmten Weise entscheiden – sie hat keine Wahl mehr. Die Ermessensreduzierung auf Null ist insbesondere relevant, wenn eine Ablehnung des Antrags den Ausländer in seinen Rechten verletzen würde. Dies ist beispielsweise häufig bei unverhältnismäßiger Ablehnung eines Antrags oder bei besonders schutzwürdigen Interessen des Betroffenen der Fall.

Die Selbstbindung der Verwaltung ist ein weiterer Mechanismus zur Begrenzung des Ermessensspielraums. Sie ergibt sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG: Hat die Verwaltung in vergleichbaren Fällen in der Vergangenheit ihr Ermessen in einer bestimmten Weise ausgeübt, darf sie ohne sachlichen Grund nicht von dieser Praxis abweichen. Wenn beispielsweise eine Behörde allen Antragstellern in bestimmten Situationen einen Aufenthaltstitel erteilt hat, dann darf sie diese Erteilungspraxis nicht ohne gute Begründung ändern. Erhält ein neuer Antragsteller eine Ablehnung, ohne dass sich die tatsächlichen Umstände geändert haben, liegt ein Verstoß gegen die Selbstbindung der Verwaltung und damit gegen Art. 3 GG vor. In dem Fall ist die Ablehnung rechtswidrig und kann aufgehoben werden.

Fazit zu dieser Seite

Das Ermessen der Migrationsbehörden ist ein zentrales Instrument im deutschen Aufenthaltsrecht und betrifft insbesondere Visa- und Aufenthaltstitel, bei denen keine Anspruchsgewährung vorgesehen ist. Dieses Verwaltungsermessen muss stets pflichtgemäß, das heißt nach nachvollziehbaren und dokumentierten Kriterien, ausgeübt werden. Dabei ist zwischen "Soll-" und "Kann-Vorschriften" zu unterscheiden, die unterschiedliche Anforderungen an die Entscheidungspraxis stellen. Fehlerhafte Ermessensentscheidungen – etwa bei Verstößen gegen den Zweck der Ermächtigung oder bei sachfremden Erwägungen – können gerichtlich überprüft und aufgehoben werden. Ermessensreduzierungen auf Null sowie die Selbstbindung der Verwaltung stellen wichtige Begrenzungen des Ermessensspielraums dar und sichern eine gleichmäßige und rechtskonforme Anwendung des Aufenthaltsrechts.

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