
Ausweisungsinteresse

Alle Informationen zum Thema Aufenthaltserlaubnis und Ausweisungsinteresse.
Hier erfahren Sie ...
was ein Ausweisungsinteresse ist und wann es vorliegt
welche Ausweisungsgründe es gibt
wie Sie trotz Ausweisungsgründen eine Aufenthaltserlaubnis erhalten
was Sie gegen das Vorliegen von Ausweisungsgründen tun können
1. Aufenthaltserlaubnis und Ausweisungsinteresse
Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis kann versagt werden, wenn gegen den Ausländer ein sogenanntes Ausweisungsinteresse vorliegt (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG). Zu den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen gehört also, dass in der Regel kein Ausweisungsgrund vorliegt. Für die Verweigerung einer Aufenthaltserlaubnis aufgrund eines Ausweisungsinteresses genügt allein das Vorliegen eines abstrakten Ausweisungstatbestandes; es ist nicht erforderlich, dass der Ausländer auch ermessensfehlerfrei ausgewiesen werden könnte. Deshalb können in manchen Fällen schon geringe Rechtsverstöße ausreichen (z.B. im Straßenverkehr), um die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis zu vereiteln.
2. Welche Ausweisungsgründe gibt es?
Für die Annahme eines Ausweisungsinteresses ist grundsätzlich erforderlich, dass der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet (§ 53 Abs. 1 AufenthG). Dies ist in der Regel bei folgenden Sachverhalt der Fall:
Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens 6 Monaten wegen vorsätzlicher Straftat (ab zwei Jahren wiegt das Ausweisungsinteresse besonders schwer)
Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens 3 Monaten bei Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit, gegen die sexuelle Selbstbestimmung, bei Raub oder beim Angriff gegen Vollstreckungsbeamte unter Verwendung einer Waffe
Konsum und Handel von Drogen (Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz)
Unterstützung oder Mitgliedschaft in terroristischen/verbotenen Vereinigungen oder Vorbereitung schwerer staatsgefährdender Gewalttaten
Teilnahme an gewalttätigen politischen oder religiösen Aktivitäten und öffentlicher Aufruf zu Gewalt oder Hass
falsche Angaben im Visumverfahren oder in Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels
Sozialversicherungsbetrug
Heirat einer minderjährigen Person
Sollte einer dieser Tatbestände in Ihrem Fall vorliegen, kann die Ausländerbehörde oder die Botschaft die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen. Vorstrafen können einer Aufenthaltserlaubnis allerdings nur entgegengehalten werden, wenn die Strafe nicht mehr im Bundeszentralregister eingetragen ist (BVerwG, Urteil vom 12.07.2018 - 1 C 16.17, Rn. 22 ff). Dabei gelten die Verwertungsfristen des § 51 BZRG.
3. Aufenthaltstitel trotz Ausweisungsgrund
In bestimmten Fällen kann allerdings trotz Vorliegens eines Ausweisungsgrundes ein Aufenthaltstitel erteilt werden. Denn § 5 Abs. 1 AufenthG besagt lediglich, dass beim Vorliegen eines Ausweisungsinteresses “in der Regel” kein Aufenthaltstitel erteilt werden kann. Beim Vorliegen eines a-typtischen Falles ist die Erteilung von Aufenthaltstiteln also trotz Vorliegen eines Ausweisungsinteresses möglich.
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Entscheidend für die Annahme eines a-typischen Falles ist dabei eine sogenannte Gefährdungsprognose. Diese Prognose prüft, ob von der betroffenen Person aktuell noch eine ernsthafte Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Deutschland ausgeht. Nur wenn die Gefährdung heute oder in naher Zukunft tatsächlich besteht, kann ein Ausweisungsgrund berücksichtigt werden. Die Ausländerbehörde stellt dabei eine umfassende Einzelfallprüfung an. Dabei spielen folgende Punkte eine Rolle:
Wie schwer wiegt der Ausweisungsgrund?
Wie schwer war die begangene Straftat?
Wie lange ist der Betroffene bereits straffrei?
Wie lange lebt er insgesamt in Deutschland?
Gibt es familiäre Bindungen oder andere schutzwürdige Beziehungen in Deutschland?
Wie ist die aktuelle persönliche und soziale Situation?
Eine bloße Vermutung, dass es vielleicht zu weiteren Straftaten kommen könnte, reicht nicht aus (Nds. OVG, B. v. 02.02.2011 –11 ME 441/10). Nur wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen aktuell eine schwerwiegende Gefahr für die Gesellschaft darstellt, muss die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aufgrund eines Ausweisungsinteresses abgelehnt werden.
4. Schutz gegen Ausweisung
Sollte die Ausländerbehörde in Ihrem Fall ein Ausweisungsinteresse annehmen und deshalb den Aufenthaltstitel ablehnen, sind Sie allerdings nicht schutzlos. Sie können der Ablehnung widersprechen (falls ein Widerspruch zulässig ist) und in jedem Fall Klage gegen den Ablehnungsbescheid erheben. Sie haben außerdem ein Anhörungs- und Verteidigungsrecht. Das bedeutet: Bevor die Ausländerbehörde Ihren Antrag wegen eines angeblichen Ausweisungsinteresses ablehnt, muss Sie Ihnen Gelegenheit geben, Tatsachen vorzutragen, die für die Erteilung eines Aufenthaltstitels in Ihrem Fall sprechen. Sie haben dann das Recht, alle verfügbaren Beweismittel vorzulegen, die Ihre Unschuld oder mildernde Umstände beweisen können. Dazu gehören unter anderem Dokumente, Zeugenaussagen und andere relevante Nachweise, die für die Verteidigung geeignet sind.
Sollte die Ausländerbehörde in Ihrem Fall deutlich machen, dass sie plant, den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wegen eines Ausweisungsinteresses abzulehnen, ist es ratsam einen Fachanwalt für Migrationsrecht zu konsultieren. Denn nach der Ablehnung des Antrags auf Erteilung des Aufenthaltstitels folgt meist die tatsächliche Ausweisung. Hiergegen kann ein Rechtsanwalt Sie schützen, indem er vor der Behörde und vor Gericht Ihre Rechte verteidigt.
Fazit zu dieser Seite
Die Versagung einer Aufenthaltserlaubnis aufgrund eines Ausweisungsinteresses kann eine zentrale Hürde im Aufenthaltsrecht darstellen. Bereits das abstrakte Vorliegen eines Ausweisungsgrundes kann zur Ablehnung führen – auch ohne konkrete Ausweisungsverfügung. Dennoch ist eine Aufenthaltserlaubnis trotz Ausweisungsinteresse möglich, wenn ein atypischer Fall vorliegt und die individuelle Gefährdungsprognose keine ernsthafte Bedrohung für die öffentliche Sicherheit mehr erkennen lässt. Betroffene sollten daher im Falle einer drohenden Ablehnung aktiv ihre Rechte wahrnehmen, rechtzeitig entlastende Umstände vortragen und anwaltlichen Beistand in Anspruch nehmen, um einer Antragsablehnung wegen Annahme eines Ausweisungsinteresses wirksam begegnen zu können.