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Europäische Freizügigkeit

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Alle Informationen zum EU-Freizügigkeitsgesetz (FreizügG/EU) und zur Migration von EU-Bürgern innerhalb von Europa

... was die europäische Freizügigkeit ist und welche Freizügigkeitsrechte EU-Bürger in Deutschland haben

... ob EU-Bürger in Deutschland arbeiten dürfen und welche Voraussetzungen die europäische Freizügigkeit hat

... wie das Daueraufenthaltsrecht EU erworben werden kann und welche Voraussetzungen es hat

... unter welchen Voraussetzungen die Freizügigkeitsrechte entzogen werden können

Hier erfahren Sie ...

Geschrieben von: Rechtsanwalt
Veröffentlichungsdatum: 24.05.2024
Geschätzte Lesezeit: 9 Minuten

1. Was ist die europäische Freizügigkeit?

2. Für wen gilt die europäische Freizügigkeit?

3.1 Einreise und Aufenthalt von EU Bürgern in Deutschland

3.2 Arbeit und Selbstständigkeit von EU Bürgern in Deutschland

3.3 Aufenthalt zur Arbeitsplatzsuche für EU-Bürger

3.4 Sozialleistungen für EU Bürger in Deutschland

4. Daueraufenthalt EU

5. Verlust des Freizügigkeitsrechts

Inhaltsverzeichnis

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1. Was ist die europäische Freizügigkeit?

Die europäische Freizügigkeit ist eines der fundamentalsten Grundprinzipien der Europäischen Union (EU). Die Freizügigkeitsrechte sollen die europäischen Länder miteinander verbinden, indem Hürden zwischen den Mitgliedstaaten abgebaut werden und den europäischen Bürgern die Reisefreiheit zwischen allen europäischen Ländern ermöglicht wird (Abschaffung der Binnengrenzen).

 

Es existieren die folgenden Freizügigkeitsrechte:

 

  • Freizügigkeit: Bewegungsfreiheit aller europäischen Bürger innerhalb der EU (Art. 45 ff. AEUV/ex-Artikel 39 ff. EGV),,

  • Arbeitnehmerfreizügigkeit: Recht aller Arbeitnehmer, innerhalb der EU zu arbeiten und zum Arbeiten in ein anderes Land zu reisen und dort zu wohnen (Art. 45 - 48 AEUV, ex-Artikel 39 - 42 EGV),

  • Niederlassungsfreiheit: Recht sich in anderen Staaten niederzulassen und dort ein Unternehmen zu gründen (Art. 49 ff. AEUV/ex-Artikel 43 ff. EGV),

  • Dienstleistungsfreiheit: Recht in anderen EU-Staaten Dienstleistungen zu erbringen (aktive Dienstleistungsfreiheit) oder zu empfangen (passive Dienstleistungsfreiheit) (Art. 56 - 62 AEUV, ex-Artikel 49 - 55 EGV),

  • freier Kapital- und Zahlungsverkehr (Art. 63 - 66 AEUV; ex-Artikel 56 - 59 EGV).

 

Im Ergebnis bedeuten die europäischen Freizügigkeiten also vor allem, dass europäische Bürger innerhalb der EU frei reisen, arbeiten und sich niederlassen dürfen. Entscheidungen von den Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten, die diesem Recht entgegenstehen, sind rechtswidrig und können vom Europäischen Gerichtshof bzw. den nationalen Gerichten aufgehoben werden.

2. Für wen gilt die europäische Freizügigkeit?

Die europäischen Freizügigkeitsrechte gelten grundsätzlich für alle EU-Bürger (also für Menschen, welche die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats besitzen) und für ihre Familienangehörigen (Familiennachzug zu EU-Bürgern).

 

Die Freizügigkeit von EU-Bürgern ist dabei in Deutschland jedoch gem. § 2 FreizügG/EU an folgende Voraussetzungen geknüpft:

 

  • europäische Arbeitnehmer müssen einen Job in Deutschland haben (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU),

  • Selbstständige und Freelancer müssen einer entsprechenden selbstständigen Erwerbstätigkeit nachgehen und (falls nötig) entsprechende Erlaubnisse haben (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU)

  • Arbeitsplatzssuchende (Job-Seeker) müssen tatsächlich nach einem Job suchen und dürfen sich zunächst lediglich 6 Monate in Deutschland aufhalten (§ 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU),

  • Arbeitslose und Studenten müssen über ausreichenden Krankenversicherungsschutz verfügen und ausreichend finanzielle Mittel für die Lebensunterhaltssicherung haben (§ 4 FreizügG/EU),

  • Familienangehörige unter den Voraussetzungen des Familiennachzugs zu EU-Bürgern (§§ 3, 3a FreizügG/EU).

 

Ob die entsprechenden Voraussetzungen für EU-Bürger vorliegen, wird allerdings nicht an der Grenze, sondern erst innerhalb von Deutschland bei einem entsprechenden Anlass geprüft. Insofern müssen beispielsweise EU-Bürger nicht ihren Status gegenüber der Ausländerbehörde nachweisen, sondern erst bei der Beantragung bestimmter Leistungen oder Erlaubnisse gegenüber der jeweiligen Behörde. EU-Bürgern wird auch keine entsprechende Bescheinigung über das Bestehen des Freizügigkeitsrecht ausgestellt, sondern das Freizügigkeitsrecht besteht einfach so, ohne dass die Ausländerbehörde z.B. eine Aufenthaltserlaubnis erteilt (außer beim Familiennachzug zu EU-Bürgern).

Gelten die Freizügigkeitsrechte von EU-Bürgern auch für britische Staatsangehörige?

Nach dem Brexit gelten die Freizügigkeitsrechte nicht mehr für Staatsangehörige des Vereinigten Königreichs. Die Brexit-Verträge enthalten jedoch Sonderregelungen, die Teile des Freizügigkeitsgesetzes weiterhin auf britische Staatsangehörige für anwendbar erklären (siehe § 16 FreizügG/EU). Insofern konnten britische Staatsangehörige bis zum Ende des Übergangszeitraums am 31.12.2020 von den Freizügigkeitsrechten in Deutschland Gebrauch machen, ohne einen entsprechenden Antrag zu stellen. Den britischen Staatsbürgern wurde hierfür ein entsprechendes Dokument erteilt (“Aufenthaltsdokument GB”). Mit diesem Dokument wurde das Aufenthaltsrecht für britische Staatsangehörige deklaratorisch bescheinigt.

 

Ab dem Jahr 2021 gilt das Freizügigkeitsrecht allerdings nicht mehr für britische Staatsangehörige oder ihre Familienangehörige. Entsprechende Aufenthaltskarten und Daueraufenthaltskarten müssen eingezogen werden und der Aufenthalt von Staatsangehörigen richtet sich nun wie üblich nach dem Aufenthaltsgesetz. Britische Staatsangehörige sind allerdings weiterhin besonders privilegiert, da sie visumfrei einreisen dürfen (Visa-VO), in Deutschland direkt ohne Visum einen Aufenthaltstitel beantragen dürfen (§ 41 AufenthV) und sich unter erleichterten Bedingungen hier niederlassen dürfen (§ 26 BeschV). Außerdem können Briten gem. dem Brexit-Abkommen verschiedene Geschäftstätigkeiten in Deutschland ausüben, ohne dass es (wie sonst notwendig) hierfür einer Arbeitserlaubnis bedarf (siehe Art. 140 ff. des Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich).

Image by Sabrina Mazzeo

3. Was dürfen Freizügigkeitsberechtigte in Deutschland?

3.1 Einreise und Aufenthalt von EU Bürgern in Deutschland

Freizügigkeitsberechtigte EU-Bürger haben besondere Rechte in Deutschland. Insbesondere können sie in jedem Fall ohne Visum einreisen und benötigen für den Aufenthalt in Deutschland keinen Aufenthaltstitel (§ 2a Abs. 1 FreizügG/EU). Im Gegensatz zu anderen drittstaatsangehörigen Ausländern können EU-Bürger in Deutschland auch bestimmte Sozialleistungen beziehen (s.u.).

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3.2 Arbeit und Selbstständigkeit von EU Bürgern in Deutschland

EU-Bürger sind im Gegensatz zu drittstaatsangehörigen Ausländern in Deutschland auch arbeitsrechtlich privilegiert, da sie keine Arbeitserlaubnis benötigen. Dies gilt allerdings nur, wenn ein entsprechendes Beschäftigungsverhältnis vorliegt, welches als Arbeit zu definieren ist. Nach dem AEUV ist jeder EU-Bürger Arbeitnehmer, der eine auf Einkommenserzielung ausgerichtete abhängige Beschäftigung tatsächlich ausübt, wenn diese Tätigkeit nicht völlig untergeordnet ist. Nach der Rechtsprechung sind auf jeden Fall Arbeiten im Umfang von 10-12 Stunden pro Woche (siehe Urteil des EuGH vom 03.06.1986 i.S. Kempf, Az. 139/85) bzw. ein Minijob mit einem Mindestgehalt von 280 Euro pro Monat ausgeübt wird (LSG NRW, L 20 B 184/07 AS ER). Nicht ausreichend sind jedenfalls 10 Stunden/Monat verteilt auf zwei Tage (BSG B 4 AS 2/21 R) oder ein Gehalt von nur 120 Euro (LSG BBG L 5 AS 880/13 ER, 24.04.2023), um als Arbeitnehmer zu gelten. Sollten Sie also eine Beschäftigung in dem genannten Umfang ausführen, gelten Sie als Arbeitnehmer und können sich ohne Weiteres zum Arbeiten in Deutschland aufhalten.

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3.3 Aufenthalt zur Arbeitsplatzsuche für EU-Bürger

Die Arbeitnehmerfreizügigkeit gilt auch zur Bewerbung auf Stellen. Innerhalb von einem Zeitraum von bis zu 6 Monaten können EU-Bürger sich in Deutschland aufhalten, um eine Arbeit zu suchen (EuGH, Urteil vom 26.02.1991 - C-292/89 (Antonissen)). Unter bestimmten Umständen kann sich dieser Zeitraum verlängern (z.B. im Fall von Schwangerschaft, Kinderbetreuung, Krankheit oder wenn schon ein konkretes Jobangebot besteht). Dies gilt jedenfalls so lang, wie nachgewiesen werden kann, dass tatsächlich nach einer Arbeit gesucht wird (Art. 14 Abs. 4 Nr. b UnionsbRL).

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3.4 Sozialleistungen für EU Bürger in Deutschland

Grundsätzlich ist es Ausländern in Deutschland nicht (oder nur unter bestimmten Voraussetzungen) erlaubt, Sozialleistungen von der Regierung zu beziehen. Dies gilt allerdings nicht für europäische Staatsangehörige. Europäer können in Deutschland insofern ganz normal auch Sozialleistungen beziehen (§ 7 SGB II). Hierfür müssen die EU-Bürger allerdings in den ersten 3 Monaten des Aufenthalts Arbeitnehmer oder selbstständig sein. 

 

Wann können EU-Bürger Sozialleistungen beziehen?

EU-Bürger können Sozialleistungen beziehen, wenn sie vorübergehend arbeitsunfähig sind (z.B. infolge von Krankheit oder einem Unfall) oder wenn sie unfreiwillig ihren Job verloren haben (z.B. infolge einer Kündigung). Wenn Sie mehr als ein Jahr erwerbstätig waren, dann können Sie unbegrenzt Sozialhilfen beziehen. Bei weniger als einem Jahr ist ein Leistungsbezug nur für 6 Monate möglich. Für einen Leistungsbezug muss sich der EU-Bürger die Arbeitslosigkeit von der zuständigen Bundesagentur für Arbeit bestätigen lassen.

4. Daueraufenthaltsrecht für EU-Bürger

EU-Bürger und ihre Familienangehörigen können ein Daueraufenthaltsrecht erwerben, um sich permanent in Deutschland aufzuhalten. Das Daueraufenthaltsrecht EU (§ 4a FreizügG/EU) sollte nicht mit der Erlaubnis zum Daueraufenthalt EU (§ 9a AufenthG) verwechselt werden. Während die Erlaubnis zum Daueraufenthalt EU lediglich ein nationaler Aufenthaltstitel für Drittstaatsangehörige ist, der auf europäischem Recht basiert (Daueraufenthaltsrichtlinie/Richtlinie 2003/109/EG), ist das Daueraufenthaltsrecht nach dem Freizügigkeitsgesetz ein Aufenthaltsrecht für EU-Bürger. 

 

Das Daueraufenthaltsrecht für EU-Bürger hat den Vorteil, dass die EU-Bürger sich ohne das Vorliegen der Freizügigkeitsvoraussetzungen in Deutschland aufhalten können. Relevant ist dies beispielsweise für arbeitslose EU-Bürger, da diese sich normalerweise nur für bis zu 6 Monate in Deutschland aufhalten können (§ 2 Abs. 2 Nr. 5 FreizügG/EU). Als Daueraufenthaltsberechtigter entfällt diese Grenze. Wichtig kann das Daueraufenthaltsrecht außerdem für drittstaatsangehörige Familienmitglieder des Unionsbürgers sein. Insofern können diese sich z.B. auch mit dem Daueraufenthaltsrecht in Deutschland aufhalten, wenn die Ehe geschieden ist, während normalerweise ein Aufenthaltstitel hierfür erforderlich wäre.

 

Das Daueraufenthaltsrecht EU wird erworben, wenn der Unionsbürger oder das Familienmitglied sich 5 Jahre rechtmäßig in Deutschland aufhält (§ 4a FreizügG/EU). Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Zeit auf drei Jahre verkürzt werden (§ 4a Abs. 2 FreizügG/EU). Wenn die entsprechende Aufenthaltszeit erreicht wurde, kann ein entsprechender Antrag bei der Ausländerbehörde gestellt werden. Die Ausländerbehörde bescheinigt dann, dass der Unionsbürger oder seine Familienangehörigen das Daueraufenthaltsrecht EU erworben haben (§ 5 Abs. 5 FreizügG/EU).

5. Verlust des Freizügigkeitsrechts

Ein einmal erlangtes Freizügigkeitsrecht von EU-Bürgern und ihren Familienangehörigen kann auch wieder entzogen werden. Insofern kann die Ausländerbehörde gem. § 6 Abs. 1 FreizügG/EU die Bescheinigung über das Daueraufenthaltsrecht oder die Aufenthaltskarte oder Daueraufenthaltskarte einziehen, wenn die Voraussetzungen für das Freizügigkeitsrecht entfallen sind (§ 5 Abs. 4 FreizüG/EU) oder eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit besteht (§ 6 Abs. 1 FreizügG/EU). Ob dies der Fall ist, kann allerdings nur aus “besonderem Anlass” überprüft werden (§ 5 Abs. 3 FreizügG/EU).

6. FAQ EU-Freizügigkeit

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