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Gerichtssaal

Strafrecht für Ausländer

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Alle Informationen zum Aufenthaltsstrafrecht und den Konsequenzen von Straftaten für Ausländer in Deutschland

...  was ein Overstay ist und welche Konsequenzen ein Overstay hat 

... wie das Ermittlungs- und Strafverfahren gegen Ausländer abläuft

... welche Konsequenzen eine Straftat für Ihren Aufenthaltstitel und für die Einbürgerung hat

... ob und wann Sie aus Deutschland ausgewiesen werden und wann eine Einreisesperre für den Schengen-Raum verhängt wird

Hier erfahren Sie ...

Geschrieben von: Rechtsanwalt
Veröffentlichungsdatum: 05.05.2024
Geschätzte Lesezeit: 11 Minuten

1. Was ist das Ausländerstrafrecht?

Das Migrationsstrafrecht ist ein Sonderstrafrecht, das nur für drittstaatsangehörige Ausländer gilt. Vom Ausländerstrafrecht sind grundsätzlich alle Menschen betroffen, die dem Aufenthalts-, Freizügigkeits-, Staatsangehörigkeits- und humanitären Recht unterfallen. Dies sind momentan in Deutschland ca. 10 Millionen Menschen. Für diese Menschen gelten entsprechend andere strafrechtliche Regeln. Hierdurch soll nach Auffassung des Gesetzgebers eine “Stabilisierung der verwaltungsrechtlichen Ordnungssysteme” herbeigeführt werden.

2. Welche Aufenthaltsstraftaten können Ausländer begehen?

2.1 Overstay Deutschland

2.1.1 Strafe ohne Visum in Deutschland

Eine der häufigsten Straftaten, die Ausländer in Deutschland begehen, ist der sog. “Overstay”. Als Overstay werden Fälle bezeichnet, in denen sich ein Ausländer in Deutschland aufhält, obwohl sein Aufenthaltstitel (z.B. Visum) abgelaufen ist. Insofern benötigt jeder (nicht europäische) Ausländer für den Aufenthalt in Deutschland ein Visum oder eine Aufenthaltserlaubnis (§ 4 AufenthG). Die meisten Ausländer benötigen schon für die Einreise ein Visum (ob Sie ein Visum für die Einreise nach Deutschland benötigen, können Sie in der Visumliste des Auswärtigen Amts nachschauen). In vielen Fällen erfolgt diese Einreise mit einem Schengen-Visum. Selbst wenn Sie für die Einreise kein Visum benötigen, ist eine Aufenthaltserlaubnis notwendig, wenn Sie arbeiten wollen oder wenn Sie länger als 90 Tage innerhalb von 180 Tagen in Deutschland bleiben wollen. Die Überschreitung dieser erlaubten Aufenthaltszeit wird als “Overstay” bezeichnet. Ein solcher Overstay ist in den folgenden Konstellationen möglich…

 

… Ihr Schengen-Visum ist abgelaufen und Sie halten sich weiterhin in Deutschland auf (Schengen-Overstay),

… Ihr Schengen-Visum ist noch gültig, aber Sie haben die 90 Tage überschritten (Overstay mit gültigem Visum),

… Sie haben Ihre visumfreie Zeit von 90 Tagen innerhalb von 180 Tagen überschritten (Overstay von Positivstaatern),

… Sie arbeiten unerlaubt mit einem Schengen-Visum in Deutschland (unerlaubter Arbeitsaufenthalt).

2.1.2 Wie berechnet man einen Overstay?

Ob ein Overstay vorliegt, bestimmt sich danach, ob Sie Ihre erlaubte Aufenthaltszeit von 90 Tagen innerhalb von 180 Tagen überschritten haben. Die Berechnung ist nicht so einfach, wie es zunächst den Anschein macht, da 90 Tage nicht automatisch 3 Monate sind. Zur Berechnung der erlaubten Aufenthaltszeit mit einem Schengen-Visum (oder mit einem visumfreien Aufenthalt) kann der Short-Stay Visa Calculator der Europäischen Kommission genutzt werden. Im Short-Stay-Calculator der Europäischen Kommission müssen lediglich die Reisedaten eingegeben werden, um zu erfahren, wann Ihr erlaubter Aufenthalt in Deutschland oder der Europäischen Union endet. Sollte Ihr Overstay nicht auf einem Schengen-Aufenthalt beruhen, ergibt sich der Beginn des Overstay schlicht aus dem Ablaufdatum Ihres Aufenthaltstitels.

2.2 Unerlaubte Einreise

Eine weitere Straftat, die Ausländer begehen können, ist die unerlaubte Einreise. Eine illegale Einreise liegt immer dann vor, wenn der Ausländer bei seiner Einreise keinen Pass oder keinen Aufenthaltstitel hat. Dies umfasst beispielsweise Fälle, in denen der Aufenthaltstitel bereits abgelaufen oder verloren gegangen ist. Auch ein Überschreiten der Grenze mit fehlendem oder abgelaufenem Pass kann eine illegale Einreise darstellen.

2.3 Falsche Angaben im Visumverfahren

In der Praxis passiert es vergleichsweise häufig, dass Ausländer bei der Beantragung eines Aufenthaltstitels falsche Angaben machen. Dies kann eine Straftat nach dem Aufenthaltsgesetz darstellen. Die falschen Angaben können beispielsweise im Visumverfahren (z.B. bei der Ausfüllung des VIDEX-Forms) oder bei der Beantragung der Aufenthaltserlaubnis geschehen. Auch wenn die falschen Angaben häufig auf einem Missverständnis beruhen oder unabsichtlich gemacht werden, kann die Staatsanwaltschaft ein entsprechendes Ermittlungsverfahren einleiten. Dies kann für Ausländer schwere Konsequenzen haben (siehe unten).

2.4 Aufenthalt in Deutschland ohne Pass

Auch der Aufenthalt in Deutschland ohne gültigen Pass ist gem. § 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, § 3 AufenthG strafbar (Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr). Insofern ist jeder Ausländer verpflichtet, einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz zu besitzen. Hierdurch soll gewährleistet werden, dass die Polizei und Ausländerbehörde zu jedem Zeitpunkt in der Lage sind, die Identität des Ausländers abzugleichen.

2.5 Illegale Beschäftigung von Ausländern/Schwarzarbeit

Auch die illegale Beschäftigung von Ausländern und die illegale Beschäftigung als Ausländer stellt eine Straftat dar. Zur unerlaubten Beschäftigung von Ausländern haben wir einen eigenen VISAGUARD-Artikel geschrieben.

 

Wenn eine der genannten Straftaten begangen wurde, wird die Staatsanwaltschaft mit Hilfe der Polizei ein Ermittlungsverfahren gegen den Ausländer einleiten. der Ablauf des entsprechenden Verfahrens wird im Folgenden dargestellt.

Image by Ivan Shimko

3. Ablauf Strafverfahren für Ausländer

3.1 Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten

Viele Ausländer fragen sich, wie das Ermittlungsverfahren in Deutschland überhaupt abläuft. Tatsächlich gibt es im Ausländerstrafrecht ein paar Besonderheiten hinsichtlich des Kontakts mit der Polizei und der Staatsanwaltschaft. Dies gilt beispielsweise für Fälle, in denen der Ausländer überhaupt keine Wohnanschrift in Deutschland hat (z.B. in Fällen eines Overstays bei einer Geschäftsreise). In diesen Fällen wird zunächst ein sog. Zustellungsbevollmächtigter beim Amtsgericht bestellt (z.B. beim Amtsgericht Erding für Fälle am Flughafen München (MUC)). Sämtliche Entscheidungen der Staatsanwaltschaft und Polizei werden dann zunächst an diesen Zustellungsbevollmächtigten übermittelt.

3.2 Ermittlungen der Polizei

Nachdem ein Zustellungsbevollmächtigter für das Strafverfahren benannt wurde, beginnt üblicherweise das Ermittlungsverfahren. Im Ermittlungsverfahren recherchiert die Polizei den Sachverhalt, beispielsweise durch die Hinzuziehung von Akten (z.B. Akte der Ausländerbehörde oder der Botschaft) und vernimmt Zeugen. Auch eine Befragung des Ausländers (Beschuldigtenvernehmung) ist üblich. Der Ausländer ist allerdings nicht verpflichtet, die Ermittlungen der Polizei zu unterstützen. Das gilt auch für die Beschuldigtenvernehmung. Sie müssen also als Ausländer im Ermittlungsverfahren nicht mit der Polizei sprechen (“Nemo-tenetur-Grundsatz”)! Aus rechtlicher Sicht ist sogar deutlich davon abzuraten, mit der Polizei zu sprechen. Im Zweifel sollten Sie schlicht darauf verweisen, dass Sie zuvor mit einem Anwalt sprechen möchten. Dies kann Ihnen zwar negativ ausgelegt werden, allerdings sind die Konsequenzen, wenn Sie mit der Polizei sprechen, immer deutlich schlimmer, als wenn Ihnen mangelhafte Mitwirkung vorgeworfen wird. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass eine Kooperation mit der Polizei niemals ratsam ist, da die Polizei überhaupt nicht in der Lage ist, das Verfahren zu beeinflussen. Die Polizei ist lediglich die Ermittlungsbehörde für die Staatsanwaltschaft und hat keine eigenen Entscheidungsbefugnisse. Wenn überhaupt, dann sollten Sie also mit der Staatsanwaltschaft statt mit der Polizei sprechen.

3.3 Abschluss des Verfahrens

Nachdem die Polizei die Ermittlungen abgeschlossen hat, übergibt sie das Verfahren an die Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft sichtet dann die Akte und entscheidet über die nächsten Schritte. Im besten Fall stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren einfach ein (z.B. wegen Geringfügigkeit oder Unschuld). In dieser Phase des Verfahrens kann ein Rechtsanwalt extrem hilfreich sein, da er in der Lage ist, mit der Staatsanwaltschaft eine Einstellung des Verfahrens (z.B. gegen Zahlung eines Geldbetrages) zu verhandeln. 

 

Sollte die Staatsanwaltschaft das Verfahren nicht einstellen, hat sie Möglichkeit entweder einen Strafbefehl zu erlassen (§§ 407 ff. StPO) oder Anklage bei einem Strafgericht zu erheben (§§ 198 ff. StPO). Im Fall eines Strafbefehls müssen Sie lediglich eine Geldstrafe zahlen. Wenn die Staatsanwaltschaft Anklage vor dem Strafgericht erhebt, müssen Sie sich jedoch vor einem deutschen Strafgericht verantworten. Dies sollten Sie als Ausländer auf jeden Fall vermeiden, da Ihnen im Falle einer Verurteilung erhebliche ausländerrechtliche Konsequenzen drohen. Diese Konsequenzen einer Verurteilung oder eines Strafbefehls (wenn also eine Einstellung des Verfahrens mit Hilfe eines Rechtsanwalts gescheitert ist) werden im Folgenden dargestellt.

4. Konsequenzen von Straftaten für Ausländer

Aufgrund des Ausländerstrafrechts können strafrechtliche Verurteilungen für Ausländer gravierende Folgen haben. Dies gilt sowohl innerhalb des eigentlichen Verwaltungsverfahrens als auch für die Chancen, überhaupt ein Visum oder eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten. Problematisch ist dabei insbesondere, dass die Begehung einer Straftat bzw. das entsprechende Ermittlungsverfahren der Ausländerbehörde in jedem Fall mitgeteilt wird. Insofern sind die Polizei, das Ordnungsamt, die Staatsanwaltschaft und die Gerichte dazu verpflichtet, die Einleitung eines Strafverfahrens gegen Ausländer der Ausländerbehörde mitzuteilen (§ 87 Abs. 4 AufenthG). Hierdurch ist faktisch garantiert, dass Straftaten von Ausländern auch sofort zu einer Bestrafung durch die Ausländerbehörde führen (zusätzlich zu einer Bestrafung durch die Staatsanwaltschaft/die Strafgerichte).

 

Während des Verfahrens zur Erteilung eines Aufenthaltstitel hat die Begehung einer Straftat und die Einleitung eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens die folgenden Konsequenzen für Ausländer:

​

  • Aufenthaltstitel (auch Niederlassungserlaubnisse) dürfen nicht erteilt werden (§ 79 Abs. 2 AufenthG),

  • Aufenthaltserlaubnisse dürfen nicht verlängert werden (§ 79 Abs. 2 AufenthG),

  • der/die Ausländer/in darf nicht eingebürgert werden (§ 12a Abs. 3 StAG),

  • der/die Ausländerin kann aus Deutschland ausgewiesen werden (§ 54 AufenthG, § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG),

  • humanitäre Aufenthaltstitel können entzogen oder verweigert werden (insb. Flüchtlingseigenschaft, § 3 Abs. 4 AsylG, § 60 Abs. 8 AufenthG, § 25a AufenthG, § 104c AufenthG).

 

Im schlimmsten Fall kann die Begehung von Straftaten für Ausländer in Deutschland zusätzlich zu einer Inhaftierung bzw. zu einer Gefängnisstrafe führen. Dabei muss grundsätzlich zwischen einer Haftstrafe und der “Sicherungshaft” unterschieden werden. Während die Haftstrafe von einem Strafgericht verhängt wird, um einen illegalen Aufenthalt zu bestrafen, soll die Sicherungshaft dazu dienen, die Ausreise von ausländischen Straftätern (z.B. Overstayern) durchzusetzen. Die Verhängung einer Haftstrafe als Bestrafung für den Overstay ist vergleichsweise selten, die präventive Sicherungshaft ist allerdings ohne weiteres möglich. Insofern können z.B. auch US-Amerikaner oder britische Staatsangehörige (oder andere “Positivstaater”) in Haft genommen werden, wenn sie einen Overstay begehen (§ 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 AufenthG). Da eine Gefängnisstrafe allerdings die schwerste Strafe ist, die das Gesetz kennt, wird eine solche nur in schweren Fällen oder in Wiederholungsfällen verhängt. Ein Overstay von nur wenigen Tagen führt beispielsweise in der Regel nicht zu einer Gefängnisstrafe. Dies kommt allerdings auf die Vorgehensweise der zuständigen Staatsanwalts bzw. des Strafgerichts an.

4.1 Folgen von Straftaten für Aufenthaltstitel

Eine weitere häufige Konsequenz, die Ausländer, die eine Straftat begangen haben, treffen kann, ist die Sperre für Aufenthaltstitel. Insofern darf Ausländern in der Regel kein Aufenthaltstitel erteilt werden, wenn ein Ausweisungsinteresse besteht (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG). Ein solches Ausweisungsinteresse liegt häufig vor, wenn der Ausländer Straftaten begangen hat (§§ 53, 54 AufenthG). 

 

Die Verurteilung von Ausländern wird grundsätzlich in der sogenannten “Visa-Warndatei” der Ausländerbehörden gespeichert, welche vom Bundesverwaltungsamt geführt wird. Die Visa-Warndatei dient den Visumbehörden im Allgemeinen zur Vermeidung von Visummissbrauch. In der Datei werden nicht nur strafrechtliche Verurteilungen, sondern auch Verstöße durch falsche Angaben, Schwarzarbeit und missbräuchliches Einladen von Ausländern gespeichert. Grundsätzlich ist auch eine Eintragung von Organisationen und Vereinen in der Visawarndatei möglich. Zugriff auf die Visa-Warndatei haben die folgenden Behörden:

​

  • Auslandsvertretungen (Auswärtiges Amt, Botschaften und Konsulate),

  • Ausländerbehörden,

  • Polizei,

  • Staatsanwaltschaft,

  • Bundesamt für Justiz.

 

Sollte ein Ausländer mit einer Verurteilung in der Visa-Warndatei eingetragen sind, ist also die Erteilung eines Aufenthaltstitels nur unter schwierigen Bedingungen möglich. 

4.2 Folgen von Straftaten für zukünftige Einreisen (Einreisesperre)

Die Begehung von Straftaten durch Ausländer hat nicht nur direkten Einfluss auf den momentanen Aufenthalt, sondern auch für zukünftige Einreisen des Ausländers. Insofern können die deutschen Behörden eine sog. Einreisesperre gegen Ausländer verhängen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer nicht in das Bundesgebiet und das Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder der anderen Schengen-Staaten einreisen (§ 11 AufenthG). Bei Verhängung der Einreisesperre ist also keine Einreise in den Schengen-Raum mehr möglich. Dies kann (insbesondere für Geschäftsleute und Unternehmer) schwerwiegende Konsequenzen haben.

4.3 Folgen von Straftaten für die Einbürgerung

5. FAQ Aufenthaltsstrafrecht

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