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... was eine Untätigkeitsklage ist
... was die Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage sind
... wie lange die Untätigkeitsklage dauert und was sie kostet
... wie Sie eine Untätigkeitsklage selber erheben können
Geschrieben von:
Rechtsanwalt
Veröffentlichungsdatum:
23.09.2024
Lesezeit:
9 Min.
INHALTSVERZEICHNIS
1. Was ist eine Untätigkeitsklage?
2. Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage
2.1. Gestellter Antrag
2.2. Ablauf der Drei-Monats-Frist
2.3. Kein "zureichender Grund"
3. Ablauf einer Untätigkeitsklage (Einbürgerung)
3.1. Einreichung der Klageschrift
3.2. Bestätigung des Klageeingangs
3.3. Reaktion der Ausländerbehörde
4. Dauer und Kosten einer Untätigkeitsklage (Einbürgerung)
5. Untätigkeitsklage selber erheben (Berlin)
6. FAQ Untätigkeitsklage
1. Was ist eine Untätigkeitsklage?
Es ist allgemein bekannt, dass die Migrationsbehörden in Deutschland, insbesondere in Großstädten wie Berlin, überfordert sind und unter einem erheblichen Personalmangel leiden (siehe etwa rbb-Bericht “Warten auf die Berliner Ausländerbehörde” vom 07.07.2023). Dies führt dazu, dass Anträge auf Aufenthaltstitel, Familienzusammenführung oder Einbürgerung oft sehr lange bearbeitet werden – in einigen Fällen kann dies mehrere Jahre dauern. In Berlin gibt es derzeit Zehntausende unbearbeitete Einbürgerungsanträge. Dieser Rückstau resultiert nicht nur aus dem Zuständigkeitswechsel des Landesamts für Einwanderung (LEA) (siehe VISAGUARD Blogartikel zum Zuständigkeitswechsel beim LEA), sondern auch aus den steigenden Antragszahlen, die durch die Reform des Einbürgerungsrechts 2024 verursacht wurden.
Viele Betroffene fühlen sich hilflos angesichts der langwierigen Wartezeiten und unklaren Kommunikation der Behörden. In solchen Fällen kann es eine Option sein, gegen die Behörde vorzugehen und eine rechtliche Beschleunigung des Verfahrens anzustreben. Eine Klage gegen die Ausländerbehörde durch einen erfahrenen Rechtsanwalt für Migrationsrecht kann dabei helfen, die Bearbeitung Ihres Antrags zu beschleunigen und Ihr Recht auf eine zügige Entscheidung durchzusetzen.
Die Untätigkeitsklage ist eine spezielle Form der Verpflichtungsklage (§ 42 VwGO), mit der Sie die Behörde gerichtlich dazu zwingen können, endlich über Ihren Antrag zu entscheiden. Laut Gesetz muss eine Verwaltungsbehörde innerhalb von drei Monaten über Anträge wie etwa auf Aufenthaltstitel oder Einbürgerung entscheiden (siehe § 75 VwGO). Kommt sie dieser Pflicht nicht nach, können Sie das Verwaltungsgericht einschalten. Das Gericht zwingt die Behörde zur Entscheidung und im Erfolgsfall trägt die Behörde auch die Kosten des Verfahrens (§ 154 VwGO).
2. Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage
Wenn Ihr Antrag auf Aufenthaltstitel oder Einbürgerung seit Monaten unbeantwortet bleibt, könnte eine Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO der richtige Weg sein, um die Behörde zur Entscheidung zu zwingen. Doch eine Untätigkeitsklage hat einige Voraussetzungen, die Sie beachten sollten.
2.1. Gestellter Antrag
Die erste Voraussetzung für eine Untätigkeitsklage ist, dass ein formeller Antrag bei der zuständigen Behörde gestellt wurde (§ 81 Abs. 1 AufenthG). Dies müssen Sie nachweisen können, etwa durch eine Eingangsbestätigung, eine automatische E-Mail oder ein Protokoll des Antragsverfahrens. Idealerweise haben Sie dabei auch alle notwendigen Unterlagen eingereicht. Zwar ist es nach einem aktuellen Beschluss des Verwaltungsgerichts Weimar nicht zwingend erforderlich, alle Dokumente schon beim Antrag mit einzureichen (VG Weimar, Beschluss vom 11.06.2024, Az. 1 K 135/24 We), aber es erhöht die Erfolgsaussichten Ihrer Klage.
2.2. Ablauf der Drei-Monats-Frist
Eine weitere Voraussetzung ist, dass seit der Antragstellung drei Monate vergangen sind, ohne dass die Behörde eine Entscheidung getroffen hat. Vor Ablauf dieser Frist ist eine Klage unzulässig und wird vom Gericht abgewiesen – in diesem Fall müssen Sie als Kläger die Verfahrenskosten tragen. Nach Ablauf der drei Monate steht einer Untätigkeitsklage jedoch nichts mehr im Weg.
2.3. Kein "zureichender Grund"
Ein oft problematischer Punkt ist, ob die Behörde einen sogenannten "zureichenden Grund" für die Verzögerung vorweisen kann (siehe § 75 S. 2 VwGO). Wann ein solcher Grund vorliegt, ist Gegenstand zahlreicher gerichtlicher Entscheidungen. Sicher ist jedoch, dass Personalmangel und Überlastung der Behörden keinen zureichenden Grund darstellen. Das Verwaltungsgericht Weimar hat beispielsweise entschieden, dass die seit 2020/2021 bestehende Arbeitsüberlastung der Ausländerbehörden keinen zureichenden Grund im Sinne des § 75 VwGO darstellt (VG Weimar, Beschluss vom 11.06.2024, Az. 1 K 135/24 We). Auch das Bundesverwaltungsgericht hat festgehalten, dass eine "vorübergehende Antragsflut" infolge einer Gesetzesänderung nur dann als zureichender Grund anerkannt wird, wenn die Überlastung nicht von längerer Dauer ist (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 16.01.2017 – 1 BvR 2406/16). Im Falle der permanenten Überlastung der Behörden ist allerdings dies allerdings schon lange nicht mehr der Fall.
Mögliche zureichende Gründe
In bestimmten Fällen können Gerichte jedoch einen zureichenden Grund anerkennen, zum Beispiel:
Wenn der Antragsteller seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen ist.
Wenn laufende oder beschlossene Gesetzesreformen die Bearbeitung verzögern.
Wenn erforderliche Dokumente fehlen.
Letztlich hängt die Beurteilung eines zureichenden Grundes immer vom Einzelfall ab. Es empfiehlt sich daher, bei Unsicherheiten die Unterstützung eines erfahrenen Rechtsanwalts für Migrationsrecht in Anspruch zu nehmen.
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3. Ablauf der Untätigkeitsklage
Viele Menschen, die auf die Entscheidung über ihren Einbürgerungsantrag warten, fragen sich, wie der Ablauf einer Untätigkeitsklage aussieht. Hier erklären wir Ihnen Schritt für Schritt, wie dieser Prozess abläuft und worauf Sie achten sollten.
3.1. Einreichung der Klageschrift
Die Untätigkeitsklage beginnt mit der Einreichung der Klageschrift beim Verwaltungsgericht. Diese Klageschrift kann auf verschiedene Weise eingereicht werden:
Per Post, direkt an das zuständige Gericht.
Über einen Rechtsanwalt, der die Klage für Sie vorbereitet und einreicht.
Persönlich bei der Geschäftsstelle des Gerichts, wo Sie die Klage sogar diktieren können.
3.2. Bestätigung des Klageeingangs
Etwa eine Woche nach der Einreichung erhalten Sie eine Eingangsbestätigung vom Gericht. In dieser wird Ihnen mitgeteilt, dass die Klage eingegangen ist und der Ausländerbehörde zugestellt wird. Außerdem werden Sie in diesem Schreiben aufgefordert, die Gerichtskosten zu bezahlen, um das Verfahren fortzusetzen. In der Regel fragt das Gericht die Behörde gleichzeitig nach einer Erklärung zu den Vorwürfen, also warum sie bisher nicht über Ihren Antrag entschieden hat.
3.3. Reaktion der Ausländerbehörde
Nachdem Sie die Gerichtskosten bezahlt haben, müssen Sie warten, wie die Behörde auf die Klage reagiert. Das Gericht setzt der Behörde in der Regel eine Frist von vier Wochen, um auf die Vorwürfe zu antworten.
Der weitere Verlauf des Verfahrens hängt vom Verhalten der Ausländerbehörde und den Umständen Ihres Falls ab:
Kooperationsbereitschaft der Behörde: Wenn die Behörde kooperieren möchte und Ihr Fall Aussicht auf Erfolg hat, wird Ihnen möglicherweise bald ein Einbürgerungstermin angeboten. Dies geschieht häufig, um das Verfahren schnell abzuschließen.
Widerstand der Behörde: Sollte die Behörde nicht kooperationsbereit sein, werden weitere Schriftsätze zwischen Ihrem Anwalt und der Behörde ausgetauscht. In manchen Fällen kommt es dann zu einer mündlichen Verhandlung vor Gericht.
Vergleich: In den meisten Fällen wird ein Vergleich geschlossen, bevor es zu einem Urteil kommt. Das bedeutet, dass sich die Parteien auf eine Lösung einigen, beispielsweise indem die Behörde eine baldige Entscheidung über Ihren Einbürgerungsantrag verspricht.
Gerichtsurteil: Sollte kein Vergleich zustande kommen, wird das Gericht am Ende ein Urteil fällen. Dieses Urteil kann die Behörde zur Entscheidung verpflichten.
In jedem Fall bietet die Untätigkeitsklage eine Möglichkeit, den Prozess zu beschleunigen und Ihre Rechte geltend zu machen. Wenn Sie Fragen zum Ablauf haben oder Unterstützung bei der Klageerhebung benötigen, stellen wir Ihnen gern einen erfahrenen Rechtsanwalt für Migrationsrecht zur Seite.
4. Dauer und Kosten einer Untätigkeitsklage (Einbürgerung)
Die Erhebung einer Untätigkeitsklage im Rahmen eines Einbürgerungsverfahrens bringt verschiedene Kosten mit sich. Zu den wichtigsten gehören die Gerichtsgebühren und die Anwaltskosten, falls Sie einen Anwalt hinzuziehen.
Die Gerichtsgebühren sind gesetzlich im Gerichtskostengesetz (GKG) geregelt. Für eine Untätigkeitsklage bei Einbürgerung fallen in der Regel 798 Euro an. Diese Kosten werden Ihnen im Erfolgsfall von der Gegenseite erstattet (§ 154 VwGO). Allerdings kann es einige Zeit dauern, bis ein Urteil ergeht und Sie diese Kosten zurückerhalten. Die Anwaltskosten variieren je nach Stadt und Anwalt. Ein auf Migrationsrecht und Staatsangehörigkeitsrecht spezialisierter Rechtsanwalt verlangt in der Regel zwischen 2.500 und 4.000 Euro für eine Untätigkeitsklage.
Die Dauer eines solchen Verfahrens lässt sich schwer pauschal abschätzen, da sie von den spezifischen Umständen des Einzelfalls abhängt. Liegen alle Voraussetzungen vor und gibt es keinen zureichenden Grund für die Verzögerung, kann das Verfahren innerhalb von 1 bis 2 Monaten abgeschlossen werden. In problematischen Fällen, bei denen zusätzliche Beweiserhebungen oder rechtliche Diskussionen notwendig sind, kann das Verfahren jedoch 6 bis 12 Monate oder länger dauern. Auch die Arbeitsbelastung der Gerichte und die Ernsthaftigkeit, mit der der Richter den Fall behandelt, spielen eine Rolle.
5. Untätigkeitsklage selbst erheben: Was Sie wissen sollten
Viele Menschen fragen sich, ob sie eine Untätigkeitsklage selbst erheben können, ohne einen Anwalt zu beauftragen. Die Antwort lautet: Ja, das ist möglich. In der ersten Instanz vor den meisten deutschen Verwaltungsgerichten besteht kein Anwaltszwang, was bedeutet, dass Sie Ihre Klage eigenständig einreichen können.
Einreichung der Klage
Wenn Sie eine Untätigkeitsklage selbst erheben möchten, gibt es mehrere Möglichkeiten, dies zu tun:
Schriftliche Einreichung: Sie können die Klageschrift schriftlich verfassen und per Post an das zuständige Verwaltungsgericht senden.
Persönliche Abgabe: Sie haben auch die Möglichkeit, zur Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts zu gehen und Ihre Klage dort persönlich abzugeben.
Diktieren der Klage: Wenn Ihnen das Verfassen der Klage schwerfällt, können Sie die Klage bei der Geschäftsstelle des Gerichts sogar mündlich diktieren. Ein Beamter oder eine Beamtin wird Ihre Aussagen aufnehmen und die Klageschrift entsprechend erstellen.
Risiken bei der eigenständigen Klageerhebung
Obwohl es grundsätzlich möglich ist, eine Untätigkeitsklage ohne Anwalt zu erheben, sollten Sie sich der damit verbundenen Risiken bewusst sein. Eine Untätigkeitsklage mag auf den ersten Blick einfach erscheinen, aber in der Praxis können verschiedene Fallstricke und rechtliche Hürden auftreten. Wenn Ihr Fall völlig unproblematisch ist und alle Voraussetzungen erfüllt sind, kann es durchaus sinnvoll sein, die Klage selbst einzureichen.
Wann Sie einen Anwalt hinzuziehen sollten
Wenn jedoch Unsicherheiten bestehen oder die Behörde auf rechtliche oder sachliche Gründe für die Verzögerung hinweist, ist es ratsam, einen erfahrenen Anwalt für Migrationsrecht hinzuzuziehen. Ein Anwalt kann nicht nur den Schriftverkehr professionell führen, sondern auch die Erfolgsaussichten Ihrer Klage einschätzen und Sie in einem komplexeren Verfahren sicher durch den Prozess leiten.
Sollten Sie Fragen haben oder Unterstützung bei Ihrer Untätigkeitsklage benötigen, steht Ihnen ein unabhängiger von VISAGUARD zertifizierter Rechtsanwalt gern zur Verfügung.
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6. FAQ zur Untätigkeitsklage
1. Ist die Arbeitsüberlastung ein zureichender Grund für die Verzögerung?
Nein, die Rechtsprechung und Fachliteratur haben klar entschieden, dass eine Arbeitsüberlastung der Behörde keinen zureichenden Grund darstellt, der eine Untätigkeitsklage verhindern würde. Personalmangel und Überlastung sind kein rechtlich anerkannter Entschuldigungsgrund.
2. Beginnt die Frist für die Untätigkeitsklage bei der Antragstellung oder erst nach Einreichung aller Dokumente?
Die Frist für die Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO beginnt mit dem Datum der Antragstellung, nicht mit der Einreichung der vollständigen Unterlagen. Dies wurde unter anderem im Beschluss des VG Weimar vom 11.06.2024, Az. 1 K 135/24 We, bestätigt.
3. Bekomme ich mein Geld zurück, wenn ich die Untätigkeitsklage gewinne?
Ja, wenn Sie die Untätigkeitsklage gewinnen, trägt die Behörde die Verfahrenskosten (§ 154 VwGO). Das bedeutet, dass Sie Ihr Geld zurückbekommen.
4. Ist besondere Dringlichkeit ein Grund für eine schnellere Entscheidung der Behörde oder des Gerichts?
Ja, besondere Dringlichkeit kann zu einer schnelleren Entscheidung führen. Sowohl die Umstände der Behörde als auch die Dringlichkeit aus der Sicht des Klägers werden bei der Beurteilung eines zureichenden Grundes berücksichtigt. Dies wurde unter anderem im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 11. Juli 2018 – 1 C 18.17 – festgehalten.
5. Wer muss beweisen, ob ein "zureichender Grund" für die Verzögerung vorliegt?
Die Behörde trägt die Beweislast und muss darlegen, dass ein zureichender Grund für die Verzögerung der Entscheidung vorliegt. Dies wurde beispielsweise im Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 14. Februar 2023 – 3 E 2/23 – klargestellt.
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Weiterführende Informationen
Internetseite der Rechtsantragsstelle beim Verwaltungsgericht Berlin
Literatur: NK-VwGO/Michael Brenner, 5. Aufl. 2018, VwGO § 75 Rn. 1-88
Literatur: Schoch/Schneider/Porsch, 45. EL Januar 2024, VwGO § 75